Fluoxetin (=Prozac) ist ein häufig verschriebenes Antidepressivum. Beim Absetzen von Fluoxetin gibt es einige Besonderheiten zu beachten.
Fluoxetin ist ein bekanntes Antidepressivum, das zur Behandlung einer Reihe von Störungen eingesetzt wird, darunter depressive Erkrankungen und Panikstörungen. Weitere Anwendungsgebiete sind Essstörungen (Bulimie), Zwangsstörung(en).
Der Wirkstoff Fluoxetin (Fluoxetin=Prozac in USA) gehört aufgrund seines Wirkmechanismus zu einer Klasse/Gruppe von Medikamenten, die als Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) bekannt sind. Diese Medikamente, zu denen beispielsweise auch das bekannte Citalopram gehört, erhöhen die Menge an Serotonin in deinem Gehirn, was zu einer Verbesserung von Depressionen bzw. allgemein der psychischen Gesundheit beiträgt.
Wenn du die Einnahme eines SSRI wie Fluoxetin beendest, kann es durch das Absetzen der Antidepressiva zu Entzugserscheinungen kommen, während sich dein Gehirn an den niedrigeren Serotoninspiegel anpasst.
In diesem Artikel erfährst du,
- mit welchen Symptomen bzw. Problemen ein Patient beim Absetzen von Fluoxetin zu rechnen hast,
- wann diese auftreten
- und was du nach Meinung von Experten am besten tun kannst, um die Absetzsymptome möglichst gering zu halten und das Rückfallrisiko zu minimeren.
Übersicht: der Serotonin-Wiederaufnahme -Hemmer Fluoxetin
Antidepressiva wie Fluoxetin gehören in den Therapien der Medizin zu den am häufigsten verschriebenen Medikamenten in Amerika. Jeden Monat nehmen mehr als 40 Millionen Menschen ein Antidepressivum ein. Als die Einnahme von Antidepressiva in den letzten zwei Jahrzehnten zunahm, merkten immer mehr Menschen, wie schwer es ist, damit aufzuhören. Etwa einer von vier Menschen, die Antidepressiva einnehmen, nimmt sie seit zehn Jahren oder länger (1).
Angst vor Absetzerscheinungen und Rückfallrisiko
Einer der Gründe, warum die Langzeiteinnahme von Antidepressiva so weit verbreitet ist, ist, dass die Menschen Angst haben, sie abzusetzen. Diese Bedenken drehen sich um die Gefahr eines Rückfalls der Symptome und eines möglichen Entzugs.
Diese Ängste sind nicht völlig unbegründet. Der SSRI-Entzug ist ein bekanntes Phänomen. Mehr als die Hälfte (56%) der Menschen, die Antidepressiva absetzen, erleben vor allem Entzugserscheinungen wie Reizbarkeit, Schwindel, Übelkeit und Kribbeln (2). Das Absetzen von Antidepressiva kann auch das Risiko eines Rückfalls erhöhen, einschließlich der Rückkehr von depressiven Angstsymptomen. Das Absetzen von Antidepressiva wird auch mit einem 60%igen Anstieg von Selbstmordversuchen in Verbindung gebracht (3). Das sind also einige Probleme, die beim Absetzen lauern.
Risiken abwägen
Es ist daher wichtig, dass du gemeinsam mit deinem Arzt diese Risiken gegen die potenziellen Risiken einer weiteren Einnahme von Fluoxetin oder anderer Psychopharmaka abwägst. Fluoxetin hat eine Reihe von Nebenwirkungen, die sich negativ auf dein Leben auswirken können. Während viele dieser Nebenwirkungen mit der Zeit abklingen, können die sexuellen Nebenwirkungen auch dann noch auftreten, wenn du das Medikament abgesetzt hast (4). Frage und berate dich daher unbedingt gut mit deinem Arzt.
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Entzugssymptome von Fluoxetin
Die gute Nachricht ist, dass Fluoxetin unter den SSRIs mit am wenigsten Entzugserscheinungen verursacht. Der Grund dafür ist die lange Halbwertszeit von Fluoxetin. Die Halbwertszeit eines Medikaments ist die Zeit, die vergeht, bis 50 % des Medikaments aus deinem Körper ausgeschieden sind. Die meisten SSRIs haben eine Halbwertszeit von etwa einem Tag, Fluoxetin hat jedoch eine Halbwertszeit von vier bis sechs Tagen (5).
Vorsicht: Entzugssymptome teilweise erst nach Wochen
Entzugserscheinungen treten in der Regel auf, wenn die Konzentration des Medikaments zu etwa 90 % aus deinem Körper ausgeschieden ist. Fluoxetin ist einzigartig unter den Antidepressiva, weil die Entzugserscheinungen normalerweise erst nach mehreren Wochen auftreten. Leider ist das ein zweischneidiges Schwert, denn die Entzugssymptome von Fluoxetin dauern in der Regel auch länger - etwa zwei Monate.
Die längere Zeitspanne, die mit dem Fluoxetin-Entzug verbunden ist, erhöht das Risiko einer Fehldiagnose. Da die Entzugssymptome später auftreten und länger andauern, werden sie oft mit einem Rückfall verwechselt. Das kann dazu führen, dass die Betroffenen unnötigerweise wieder Antidepressiva einnehmen (2).
Wenn du die Anzeichen für einen Fluoxetin-Entzug und den längeren Zeitraum, in dem sie auftreten, erkennst, kannst du die Entzugssymptome von einem Rückfall unterscheiden.
So äußert sich das Entzugssyndrom
Die mit dem SSRI-Entzug verbundenen Symptome sind vielfältig und betreffen viele verschiedene Systeme:
- Verdauung. Du kannst Übelkeit, Erbrechen, Krämpfe, Durchfall oder Appetitlosigkeit verspüren.
- Gleichgewicht. Dir kann schwindelig oder benommen werden, was es manchmal schwierig macht, zu gehen.
- Schlafprobleme. Du kannst Albträume, ungewöhnliche Träume, übermäßige/lebendige Träume oder Schlaflosigkeit haben.
- Allgemein. Du kannst grippeähnliche Symptome wie Kopfschmerzen, Muskelschmerzen, Schwäche und Müdigkeit haben.
- Stimmungslage. Du kannst unter extremer Angst, Unruhe, Panik, Selbstmordgedanken, Depression, Reizbarkeit, Wut, Manie oder Stimmungsschwankungen leiden.
- Bizarre Empfindungen. Du kannst Gehirnströme (wie einen elektrischen Schlag oder ein Zittern im Gehirn), Kribbeln und Nadeln, Ohrensausen, seltsame Geschmäcker oder eine Überempfindlichkeit gegenüber Geräuschen verspüren.
- Motorische Kontrolle. Du kannst Zittern, Muskelverspannungen, unruhige Beine, einen unsicheren Gang oder Schwierigkeiten bei der Kontrolle von Sprache und Kaubewegungen haben (6).
Die Entzugssymptome von Fluoxetin können von leicht bis schwerwiegend und behindernd reichen. Die sogenannte Discontinuation-Emergent Signs and Symptoms Scale (DESS) ist eine Checkliste, mit der du deine Symptome und deren Schweregrad einschätzen kannst. Falls du ungewohnte Beschwerden bemerkst, informiere unbedingt deinen Arzt oder Apotheker.
Bewältigung und Erleichterung
Mit Fluoxetin aufzuhören muss kein Albtraum sein. Wenn du dir Sorgen um den Entzug machst, kann dir dein Hausarzt oder dein Facharzt für Psychiatrie empfehlen, deine Dosis zu reduzieren. Wenn du deine Dosis verringerst, indem du über einen gewissen Zeitraum immer kleinere Dosen einnimmst (Fachwort Tapern), kannst du Entzugserscheinungen oft verhindern oder verringern.
Langsamer Entzug = weniger Entzugssymptome
Dein Arzt kann einen kurzen Taper über die Dauer von ein bis zwei Wochen empfehlen (da sich Fluoxetin aufgrund seiner langen Halbwertszeit in gewisser Weise dann selbst ausschleicht) oder einen längeren Taper, der sich über mehrere Wochen oder Monate hinzieht. Neuere Forschungsergebnisse deuten Stand heute darauf hin, dass ein längerer Entwöhnungsprozess (mindestens ein Monat), der so lange andauert, bis deine Dosis auf Null gesunken ist, der beste Weg ist, um den SSRI-Entzug zu minimieren (7).
So kannst du deinen Entzug leichter machen
Wenn du derzeit unter Entzugserscheinungen leidest, gibt es Möglichkeiten, deine Beschwerden zu lindern, zum Beispiel:
- Therapie. Eine Psychotherapie kann dir helfen, mit deinen Ängsten besser umzugehen und sogar die Wahrscheinlichkeit eines Rückfalls zu verringern.
- Soziale Unterstützung. Erzähle deinen Freunden und deiner Familie, dass du Entzugserscheinungen hast, das kann Konflikte und Unstimmigkeiten verhindern.
- Fitness. Ein gesundes Maß an körperlicher Aktivität, etwa 45 Minuten moderate Bewegung dreimal pro Woche, kann Stress und Reizbarkeit reduzieren.
- Pflanzliche Heilmittel. Freiverkäufliche Präparate wie Baldrianwurzel und Melatonin können helfen, Schlaflosigkeit zu lindern. Die Antwort auf die Frage, was mein Favorit ist: die Anwendung von CBD-Öl, das eine stimmungsaufhellende und angstlösende Wirkung besitzt und in vielen Fällen sehr wirksam ist.
- Rezeptfreie Medikamente. Kopfschmerzen und Magenschmerzen können mit rezeptfreien Schmerzmitteln und Medikamenten gegen Übelkeit behandelt werden.
Warnungen
Wenn du mit Fluoxetin aufhörst, besteht die Gefahr, dass die Symptome einer schweren Depression wieder verstärkt auftreten. Studien zeigen, dass Fluoxetin das Risiko von Selbstmordgedanken und -verhalten (Suizidalität) bei Menschen mit diagnostizierter schwerer depressiver Störung erhöhen kann, insbesondere jedeoch bei Kindern und Jugendlichen (8).
Blackbock-Warnung wegen erhöhter Suizidalität
Deshalb hat die US-amerikanische Food and Drug Administration (FDA) eine Blackbox-Warnung (die schwerwiegendste Warnung der FDA) herausgegeben, die besagt, dass die Einnahme von Fluoxetin das Risiko von Suizidalität erhöhen kann.
Die FDA fordert Patienten, Familien und medizinisches Fachpersonal auf, Warnzeichen für Suizidalität bei Kindern und Jugendlichen, die das Antidepressivum einnehmen, genau zu beobachten. Dies ist besonders wichtig zu Beginn der Behandlung oder in der Situation, wenn die Dosis geändert wird (9). Zu den Anzeichen für Suizidalität, auf die du achten solltest, gehören:
Anzeichen für erhöhte Selbstmordgefahr
- Du planst, wie du Selbstmord begehen würdest, wenn du es tun wolltest.
- Du sprichst oder denkst häufiger als sonst über Selbstmord nach, z. B. "Ich wünschte, ich wäre tot".
- Beschaffung der Mittel für den Selbstmord, z. B. Kugeln oder Pillen
- Sich hoffnungslos oder gefangen fühlen
- Starke Stimmungsschwankungen
- Sich auf riskante oder selbstzerstörerische Aktivitäten einlassen, z. B. betrunken Auto fahren
- Sich mit Tod, Sterben oder Gewalt zu beschäftigen
- Angelegenheiten in Ordnung bringen oder Hab und Gut verschenken
- Sich von Menschen verabschieden, als wäre es das letzte Mal
Wenn du Selbstmordgedanken hast, wähle die unter dem Artikel stehende Hotline an oder den Notruf 112.
Es besteht außerdem das Risiko einer Überdosierung von Fluoxetin, daher solltest du dich sofort behandeln lassen.
Langfristige Behandlung
Deine langfristigen Aussichten hängen von deinen besonderen Umständen ab, z. B. davon, warum du Fluoxetin abgesetzt hast und welche Symptome du derzeit hast. Wenn Fluoxetin wegen mangelnder Wirksamkeit bei dir nicht geholfen hat oder du es wegen unerwünschter Nebenwirkungen absetzen musstest, dann musst du einen langfristigen Plan zur Behandlung deiner Depression entwickeln. Dazu kann es gehören, verschiedene Antidepressiva (z.B. trizyklischen Antidepressiva oder MAO-Hemmer) oder Kombinationen von Antidepressiva auszuprobieren.
Rückfallgefahr 40%
Mehr als 40 % der Menschen, die eine depressive Episode hatten, werden im Laufe ihres Lebens mindestens eine weitere Episode haben (10). Aus diesem Grund ist eine Erhaltungstherapie wichtig. Bei der Erhaltungstherapie handelt es sich im Wesentlichen um eine Langzeitbehandlung , die Rückfälle verhindern soll. Sie kann Medikamente in einer kleinen Dosierung, Psychotherapie oder eine Kombination aus beidem umfassen.
Psychotherapie verringert die Gefahr eines Rückfalls nach dem Absetzen
Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass Menschen, die während des Absetzens von Antidepressiva an einer Psychotherapie teilnehmen, seltener einen Rückfall erleiden als Menschen, die dies nicht tun (11). Deshalb empfiehlt die American Psychological Association (APA) verschiedene Formen der Psychotherapie, darunter kognitive Verhaltenstherapie, achtsamkeitsbasierte kognitive Therapie oder interpersonelle Psychotherapie, um die Gefahr eines Rückfalls zu verringern (12).
Mein Fazit
Als Fluoxetin auf den Markt kam, hat es vielen Menschen bei ihrer psychischen Erkrankung geholfen. Heute gibt es viele alternative Antidepressiva. Wenn du also Fluoxetin absetzen musst, gibt es Möglichkeiten, dies mit deinem Arzt sicher und effektiv zu tun.
Lesetipp: Erfahrungsberichte zu Fluoxetin
- Pratt LA, Brody DJ, Gu Q. Antidepressant use among persons aged 12 and over: United States, 2011-2014. NCHS Data Brief. 2017;(283):1-8.
- Davies J, Read J. A systematic review into the incidence, severity and duration of antidepressant withdrawal effects: Are guidelines evidence-based? Addict Behav. 2019;97:111-121. doi:10.1016/j.addbeh.2018.08.027
- Valuck RJ, Orton HD, Libby AM. Antidepressant discontinuation and risk of suicide attempt: a retrospective, nested case-control study. J Clin Psychiatry. 2009;70(8):1069-1077. doi:10.4088/JCP.08m04943
- Stone MB. The FDA warning on antidepressants and suicidality--why the controversy? N Engl J Med. 2014;371(18):1668-1671. doi:10.1056/NEJMp1411138
- Keks N, Hope J, Keogh S. Switching and stopping antidepressants. Aust Prescr. 2016;39(3):76-83. doi:10.18773/austprescr.2016.039
- Fava GA, Gatti A, Belaise C, Guidi J, Offidani E. Withdrawal symptoms after selective serotonin reuptake inhibitor discontinuation: a systematic review. Psychother Psychosom. 2015;84(2):72-81. doi:10.1159/000370338
- Ruhe HG, Horikx A, van Avendonk MJP, Groeneweg BF, Woutersen-Koch H, Discontinuation of Antidepressants Taskforce. Tapering of SSRI treatment to mitigate withdrawal symptoms. Lancet Psychiatry. 2019;6(7):561-562. doi:10.1016/S2215-0366(19)30182-8
- Fornaro M, Anastasia A, Valchera A, et al. The FDA “black box” warning on antidepressant suicide risk in young adults: More harm than benefits? Front Psychiatry. 2019;10:294. doi:10.3389/fpsyt.2019.00294
- U.S. Food and Drug Administration. Prozac label.
- Nuggerud-Galeas S, Sáez-Benito Suescun L, Berenguer Torrijo N, et al. Analysis of depressive episodes, their recurrence and pharmacologic treatment in primary care patients: A retrospective descriptive study. PLoS One. 2020;15(5):e0233454. doi:10.1371/journal.pone.0233454
- Sim K, Lau WK, Sim J, Sum MY, Baldessarini RJ. Prevention of relapse and recurrence in adults with major depressive disorder: Systematic review and meta-analyses of controlled trials. Int J Neuropsychopharmacol. 2015;19(2). doi:10.1093/ijnp/pyv076
- American Psychological Association. Clinical practice guideline for the treatment of depression across three age cohorts.
- https://www.verywellmind.com/prozac-withdrawal-symptoms-timeline-and-treatment-4766892