Schlafentzug und Depression: Wie hängen sie zusammen? Erfahre in diesem Artikel, welche Auswirkungen Schlafentzug auf deine Stimmung haben kann.
Eine Studie hat ergeben, dass ein Schlaf-Wach-Rhythmus mit weniger Schlaf manchen Menschen hilft, die Symptome ihrer Depression zu lindern. Hier erfährst du mehr darüber:
Wir wissen, dass es verrückt klingt, aber Forscher der University of Pennsylvania fanden heraus, dass Schlafentzug die Symptome der Depression bei etwa der Hälfte der von ihnen untersuchten Patienten reduziert. Das geht aus einer Meta-Analyse von 66 unabhängigen Studien hervor, die kürzlich im Journal of Clinical Psychiatry veröffentlicht wurde. (1)
Einige der Studien bewerteten die Symptomverbesserung anhand verschiedener Depressions- und Stimmungsskalen. Andere wiederum stützten ihre Ergebnisse auf den Prozentsatz der Patienten, die über eine Verringerung der Symptome berichteten.
Schlafentzug zur kurzzeitigen Behandlung von Depressionssymptomen
Es klingt zwar paradox, jemanden, der unter Depressionen leidet, vom Schlafen abzuhalten, da Menschen, da viele Betroffene ohne Schlafstörungen haben. Doch unter bestimmten Voraussetzungen kann Schlafentzug ein effektives Mittel bei Depressionen sein.(2)
Teilweiser Schlafentzug (drei bis vier Stunden Schlaf, gefolgt von 20 bis 21 Stunden Aufbleiben) erwies sich als fast genauso wirksam wie vollständiger Schlafentzug (definiert als 36 Stunden Wachsein am Stück), berichten die Forscher. Im Gegensatz zu Medikamenten, bei denen es lange dauert, bis sich die Symptome der Depression bessern, kann Schlafentzug innerhalb von 24 Stunden eine antidepressive Wirkung haben, so die Forscher. (3)
Schlafentzug: Endlich Hilfe für Patienten mit Depression?
Die Stiftung Deutsche Depressionshilfe und Suizidprävention weist darauf hin, dass Antidepressiva oft die Grundlage einer Therapie bilden, was an ihrer Effektivität, Verträglichkeit, Kosten und Verfügbarkeit liegt. In einigen Fällen können weitere ergänzende Behandlungen wie z. B. der Schlafentzug eingesetzt werden. (4) Darüber hinaus legte sie 2020 eine Studie mit 22 depressiven Patienten vor. Sie zeigt, dass längere Bett- und Schlafzeiten zu einer Verschlechterung der Symptome führen können. Bei 6 Patienten wurde beobachtet, dass eine längere Bettzeit eventuell sogar Depressionen verursachen können.(5)
Schlafentzug ja, aber unter kontrollierte Bedingungen
Du solltest aber nicht den Schlaf meiden und einfach wach bleiben, wenn du dich niedergeschlagen fühlst. Denn die Studie wurde unter kontrollierten, stationären Bedingungen durchgeführt und ein ständiger Schlafmangel wird mit einer Verschlimmerung der Symptome der Depression in Verbindung gebracht. Die Forschung zeigt, dass Menschen, die unter Schlaflosigkeit leiden, ein höheres Risiko für Angstzustände und Depressionen haben als Menschen, die gut schlafen.
"Schlafentzug eignet sich nicht zur Selbsthilfe, sollte nur unter der Anleitung und Aufsicht eines professionellen Behandlers durchgeführt werden und ist kein Wundermittel", sagt Elaine Boland, PhD, Forschungspsychologin am Cpl. Michael J. Crescenz VA Medical Center der University of Pennsylvania und eine der Autorinnen der Studie. "Die Forschung hat gezeigt, dass Schlafentzug bei etwa der Hälfte der depressiven Patienten eine schnelle, aber kurzzeitige antidepressive Reaktion hervorrufen kann."
Dementsprechend kann die Wachtherapie zwar im Sinne des Selbstmanagements als ergänzende Therapie helfen. Sie ersetzt aber die richtige Therapie mit Antidepressiva und Psychotherapie keineswegs.(6)
Wachtherapie bei Depressionen: Nicht für jeden Patienten geeignet
Dustin J. Hines, PhD, Assistenzprofessor für Psychologie an der University of Nevada, Las Vegas, weist auch darauf hin, dass nicht jeder ein idealer Kandidat für eine Schlafentzugstherapie bzw. Wachtherapie ist. Aber er sagt, dass sich die Methode auf einige Patienten positiver auswirken kann als die üblicherweise verschriebenen medikamentösen Behandlungen. Außerdem kann der Schlafmangel zu schnellen Ergebnissen führen – was bei manchen Medikamenten erst nach Wochen der Fall ist.
"Das zentrale Ergebnis unserer Forschung lautet: Die Behandlung ist schnell und effektiv", sagt er und fügt hinzu, dass etwaige "Nebenwirkungen" leicht behoben werden können, indem man zu einem regelmäßigen Schlafplan zurückkehrt.
Noch mehr Forschung zur Wirksamkeit notwendig
Die Bewertung von Schlafentzug zur Behandlung von Depressionen ist nichts Neues. Aber diese Studie ist die erste Meta-Analyse zu diesem Thema seit fast drei Jahrzehnten. Und obwohl Wissenschaftler diese ungewöhnliche Behandlung schon lange kennen, sind sie sich immer noch nicht sicher, wie wirksam sie ist, warum sie genau funktioniert und wie man sie am besten außerhalb der Forschung anwendet.
"Wenn wir herausfinden können, was im Gehirn passiert, wenn einer depressiven Person der Schlaf entzogen wird, können wir diese Reaktion möglicherweise mit anderen Behandlungen oder Therapien nachahmen und idealerweise Wege finden, die Reaktion zu verlängern", sagt Boland.
Schlafentzug als Therapie bei Depressionen: Risiken und Nebenwirkungen
Ein weiteres Hindernis: Boland sagt, dass sie in ihrer Forschung nicht herausfinden konnte, warum eine depressive Person mehr oder weniger wahrscheinlich auf Schlafentzug anspricht als auf eine herkömmliche Behandlung der Symptome mit Antidepressiva. Und genau wie Antidepressiva hat auch Schlafentzug seine eigenen Nebenwirkungen: Er kann sich negativ auf die kognitiven Funktionen, die Reaktionszeit und das Reaktionsvermögen auswirken und sogar dazu führen, dass du eher zu Junkfood greifst.
"Wir raten nicht dazu, dass Menschen mit Depressionen einfach versuchen, die ganze Nacht aufzubleiben, um ihre Symptome zu lindern", betont Boland. "Die beste Strategie ist es, einen Arzt oder eine psyiatrische oder psychologische Anlaufstelle aufzusuchen."
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/28937707
- https://www.pharmazeutische-zeitung.de/ausgabe-432013/wachtherapie-fuer-gute-stimmung/
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed?Db=pubmed&Cmd=ShowDetailView&TermToSearch=16335332&ordinalpos=9&itool=EntrezSystem2.PEntrez.Pubmed.Pubmed_ResultsPanel.Pubmed_RVDocSum
- https://ifightdepression.com/de/faq
- https://nachrichten.idw-online.de/2020/10/09/studie-schlaf-und-laengere-bettzeit-koennen-depressive-symptome-verschlechtern#:~:text=Schlaf%20und%20Depression%20h%C3%A4ngen%20eng,Depression%20der%20Stiftung%20Deutsche%20Depressionshilfe.
- https://docplayer.org/43211687-Schulungsdossier-fuer-e-learning-schlaf.html
- https://www.prevention.com/life/a20499773/sleep-deprivation-and-depression